Am 2.1.1968 übernahm ich, Hans Ulrich Zöller geb. am 24.06.1941 in Brachbach, die älteste Dormagener Schuhmacherei, die im Jahr 1899 von August Wegener gegründet worden war. Sein Schwiegersohn, Winand von Zons, führte den Betrieb bis 1937 weiter.
Der Übernahmebetrag lag damals bei 3000 DM für Materialien und das Inventar. Für die 16 qm große Werkstatt wurde ein Mietpreis von 150 DM vereinbart. Aufgrund der Inflation und Rezession in den Jahren 1967 und 1968 war der Anfang für mich sehr schwer. Im ersten Jahr wurden von mir zwölf Paar Maßschuhe angefertigt, den Großteil der Einnahmen machten jedoch die Schuhreparaturen aus. Am 15.12. 1968 bezogen wir das Ladenlokal auf der Römerstraße 65 mit 64 qm. Der Eigentümer war Carl Lammerich, der Mietpreis betrug 300 DM monatlich. Ich gliederte ein Fachgeschäft für Spezialschuhe an. Der Anfangsbestand war 120 Paar Schuhe. Von da an konnte ich eine gute Aufwärtsentwicklung verzeichnen.
Am 16.5.1969 heiratete ich meine große Liebe Maria Schnell, die mich fleißig, zielstrebig und tatkräftig im Laden unterstütze. Zusammen vergrößerten wir unser Lager und konnten unseren Service ausbauen, denn die Entwicklung im Orthopädieschuhmacherhandwerk machte große Fortschritte. Modernere Technik bei der Innenschuh- und Probeschuhbearbeitung wurden angewendet sowie neue Klebetechniken.
Im August 1970 wurde Andreas unser Erster von 3 Söhnen geboren.
1971 gliederten wir eine medizinische Fußpflege an unser Ladenlokal, die sich großer Beliebtheit erfreute. Bald wurden jedoch die Betriebsräume zu klein, sodass wir nach reichlicher Überlegung, die Geschäftsräume vergrößern mussten, indem wir sie, nach vertraglichen Vereinbarungen mit dem Eigentümer, umbauten.
Die neuen Geschäftsräume mit Ladenlokal konnten am 2.11.1978 eröffnet werden. Wir begannen mit einem Meister, einem Lehrling, Herrn Rolf Loitsch, einer Verkäuferin und 7000 Paar Schuhen.
Inzwischen war Dormagen zur Stadt geworden und zählte 55.000 Einwohner.
Wir kauften am 20.12.1980 die traditionsreiche Firma Peter Meurer Köln, in der St. Apern Str. 44/46 von Josef Schlösser, der am 30.6.1981 in den wohlverdienten Ruhestand trat. Meine Tätigkeit nahm ich dort am 1.7.1981 auf. 500 Paar Leisten von Stammkunden, eine gute Einrichtung, gute brauchbare Maßunterlagen und Modelle waren für die Eröffnung bereit. Ebenso haben wir drei Mitarbeiter beschäftigt, Christof Guyla, Heinrich Proschen und der Auszubildende Meyer. Die Arbeit war sehr erfolgreich, jährlich wurden in wertvoller Handarbeit zwischen 180 und 200 Paar Maßschuhe gefertigt. Im Februar ´82 verstarb Herr Christoph Gruyla leider. Daraufhin stellten wir zwei weitere Auszubildende, Rolf Poppe und die Amerikanerin Cathrin Maranukein.
In Dormagen wirkte Hans Keldenich als Meister mit Christoph Wallenborn, als Auszubildender, an seiner Seite. Im Laden verkauften Frau Worms, Frau Mötsch und Frau Lisewski Bequemschuhe. Frau Rabsch führte die Fußpflege selbstständig aus. Für die Sauberkeit sorgte seit 1975 Frau Sommerfeld.
1984 stellte wir im Kreismuseum Zons Produktionsweg „Vom Leder zum Schuh“ mit einem Lederlehrpfad der Firma Rendenbach Trier aus. Exponate erhielten wir von Tillmann aus Kleve.
Die Koordinierung beider Geschäfte die Buchführung, der Verkauf und unsere heranwachsenden Kinder zehrten sehr an unseren Kräften und Nerven. Die ständigen Kostensteigerungen, Mieterhöhungen in Köln, um 120% in vier Jahren, sowie die Steuerprogression -Strafe für unseren Fleiß-; der Mangel an qualifizierten Kräften sowie die Auswirkungen des Kostendämpfungsergänzungsgesetzes im Gesundheitswesen und die Krankheit von Maria haben uns veranlasst, den Kölner Betrieb Peter Meurer wieder zu veräußern, just im Jahre des 135 jährigen Bestehens.
Am 18.12.1984 verkaufte ich den Betrieb Peter Meurer an die Herren Lorenz Lachmeyer Senior und Junior, mit Wirkung vom 1.04.1985 zum Preis von 85.000 DM plus gesetzlicher MwSt.
Die Mitarbeiter, Porsche und Poppe, sowie der im September 1984 eingestellte Christoph Groeger wurden übernommen.
Nach kurzer Verschnaufpause schmiedeten wir wieder neue Pläne. Im November 1985 renovierten wir unsere Geschäftsräume. Voraus ging ein zweiwöchiger Räumungsverkauf, bei dem wir unseren Warenbestand, der inzwischen zu groß war, drastisch reduziert haben. Eine große Werbekampagne mit laufender Litfasssäule und Flugblättern etc. wurde ein riesiger Erfolg. Wir verkauften in zwei Wochen ca. 1600 Paar Schuhe. Ein neues Werbekonzept, ein neu gestalteter Laden und neuer Mut bescherte uns einen guten Erfolg. Ende 1986 verließ uns unser Werkstattmeister, Herr Hans Keldenich, nach achtjähriger Tätigkeit. Wir fanden als Nachfolger Herrn Thomas Hertel, der uns eine große Hilfe war. Er verlässt uns zwecks Weiterbildung leider wieder Mitte 1988.
Ein gutes Team im Verkauf, Frau Kleinholz seit 1986, Frau Arend von 1977-1982 und von 1986 an wieder dabei und seit ende 1987 Frau Kurz. In der Werkstatt statt Herr Markus Dreiling seit 1985 als Lehrling und Herr Höpfinger seit Ende 1986.
Am 2.1.1988 begingen wir unseren 20. Geburtstag mit einer erneuten Aktion, die wiederum sehr erfolgreich war. Inzwischen haben wir uns gefestigt und haben ein gutes Ansehen, einen treuen Kundenstamm und steuern nun die erste Million DM Jahresumsatz an. Im März 1987 kauften wir das "Solor"-Patent mit Gebietsschutz für Dormagen und Pulheim. Ein neues Fertigungsverfahren für leichtere, weichere und rationell zu fertigende Maßschuhe. Der paarzahlmäßige Umsatz stieg im ersten Jahr um ca. 10%. Seit Juli 1988 beschäftigen wir als Werkstattmeister Herrn Ralf Krämer aus Betteldorf/Eifel. Vom 1.9.1988 beginnt Michael Lorenz seine Lehre bei uns. Die alten Handwerkstechniken handgenähter Böden verlieren immer mehr an Bedeutung, also weg mit dem Pechdraht. Moderne und gute Klebeverfahren setzen sich durch. Reparaturen wurden wegen der immer stärkeren Verbreitung von Import "wegwerf"-Schuhen immer weniger. Dafür fertigen wir immer mehr Einlagen an. Dieses Geschäft war viel lukrativer und brachte uns enorm weiter. Inzwischen waren in Dormagen zwei Fachärzte für Orthopädie ansässig, mit denen wir eine gute Zusammenarbeit pflegten. In all den Jahren fuhren wir immer "Gebrauchtwagen". Aufgrund unserer Fleißes und wirtschaftlichen Erfolges kauften wir anlässlich meines 50. Geburtstages einen Mercedes Typ 124 in Dunkelblau. Seit 1992 verstärkte Frau Martina Dick unser Team. Sie legte die Meisterprüfung ab und arbeitete mit viel Liebe zum Beruf.
1986 eröffnete uns unser Sohne Andreas, dass er kein Abitur machen wollte, und lieber unser Handwerk erlernen möchte. Das stellte uns vor neue Perspektiven. Eigentlich wollten wir mit Auslaufen des Mietvertrages mit Carl Lammerich den Betrieb aufgeben und uns zur Ruhe setzen.
Nun aber sollte es weitergehen und wir mussten zukunftsweisende Entscheidungen treffen. Es bot sich an, zwei Häuser weiter in der Florastr. 8, ein neues modernes und größeres Ladenlokal zu erwerben.
Das bedeutete große Investitionen von ca. einer Million DM. Wir kauften von der Firma Kaltwasser Architektur das Ladenlokal in der Größe von ca.
200 qm Betriebsfläche und eröffneten im Herbst 1994 das neue Geschäft, modern und zukunftsweisend. Wir ließen uns im Jahre 1997 zertifizieren und waren weiter auf der Erfolgsspur.
Andreas lernte von 1989 bis 1992 bei dem Kollegen Christof Wallenborn, während wir den Sohn von Christof Wallenborn ausbildeten. Andreas legte am 27.11.1997 seine Meisterprüfung ab.
Der Umsatz entwickelte sich, sodass wir diesen fast verdoppelten.
Ein neues Logo, und eine gute Werbestrategie begleiteten den Erfolg. 1993 machten wir eine große Ausstellung in der Filiale der Sparkasse Neuss in Dormagen "Schuhe vergangener Zeiten". 1997 starteten wir eine große Fahrradaktion. Wir stifteten den Bürgern der Stadt Dormagen zehn neue Fahrräder unter dem Motto: nimm mich, fahr mich, stell mich ab. Das war Stadtgespräch, mit dem WDR Fernsehen und großer Presse.
Das funktionierte natürlich nicht, aber der Werbeeffekt war riesig.
2000 feierten wir das "Hundertjährige", "älteste Schuhmacherwerkstatt von Dormagen" mit zahlreichen Gästen und einer Werkstattausstellung.
Wir übergaben Andreas und seiner Frau Manuela offiziell den Betrieb mit sieben Mitarbeitern.
Andreas führte die computergesteuerte Fußanalyse ein und stellte die ganze Verwaltung auf die Erfordernisse der Zeit ein.
Sportversorgungen und Diabetes Patienten ergänzen nun das Leistungsspektrum.
Einige Krankheiten veranlassten uns ab jetzt kürzer zu treten. Wir zogen uns aus dem aktiven Arbeitsleben zurück. Von nun an sammeln wir weiter Schuhe; besonders von "wichtigen Zeitgenossen". Wir konnten viele Schuhe von prominenten Zeitgenossen in unsere Sammlung aufnehmen, z.B. Schuhe der Päpste Johannes Paul II und Benedikt XVI.
Nun legten wir die Werkzeuge aus der Hand: dankbar und zufrieden; die unser Leben geprägt, beglückt und bereichert haben.
Wir wünschen das trotz der großen Umbrüche unserer Zeit etwas übrig bleibt vom Geist der Vergangenheit, es ändert sich viel, doch einiges bleibt!
Handwerk Schöpferwerk der Hände
das von Anfang bis zum Ende
neues schafft, und altes richtet,
immer aufbaut, nie vernichtet
fühlt sich dem zutiefst verpflichtet,
der es ließ die Hände regen
ihm zum Preis der Welt zum Segen.
Ulrich Zöller, im Dezember 2013